02.09.2018

Das Recht des Konsumenten

 

Am Freitag sagte meine Eierfrau (die Frau, bei der ich die Eier kaufe!), dass es heute und in den nächsten Wochen vorerst keine großen Eier zu kaufen gäbe, keine mittlere Größe, nur die Kleinen.
»Wir haben neue Hühner, junge Tiere, die brauchen eine Zeit.«
Sofort wurde der Konsument in mir wach: Na, Fräuleinchen. Dann sind wir wohl die längste Zeit Partner gewesen; geh' ich halt woanders hin, bätsch!
Natürlich habe ich nichts gesagt, habe die kleinen Eier genommen, hab der Dame ein schönes Wochenende gewünscht und in der kommenden Woche werde ich wieder kleine Eier kaufen (sind billiger als die großen, aber halt ... kleiner) und ich werde ein Stück weit meine Verantwortung als Konsument wahrgenommen haben; gegenüber den Hühnern, die vorerst nur kleine Eier legen, aber halt ein vernünftiges Leben führen können, gegenüber der Eierfrau, die nicht zusehen muss, immer große Eier liegen zu haben, egal, was es kostet, und gegenüber - ja! - der Umwelt.
Die Frage ist doch: Brauchen wir die glänzendsten Äpfel, brauchen wir für jede Banane eine Tüte (diese kleinen Plastiktüten, so schön praktisch, aber ganz schön fies und ziemlich langlebig [wer sich interessiert, was so aus einer Plastiktüte wird, kann auf untenstehendes Bild klicken, die DUH hat ein paar Beispiele zusammengestellt]), brauchen wir das größte, das schönste, immer wieder das beste Accessoire? Das größte Auto - scheißegal!

Dass der Händler bessere Waren anbietet, als der im Nachbarladen, das ist das System. So funktioniert Kapitalismus, darauf gründet sich ein großer Teil des Erfolges dieser Gesellschaftsform. Doch wer erzählt, dass es keiner Regularien bedarf, der macht sich ganz sicher etwas vor. Und da der Staat in diesen Zeiten nicht allzu viel dazu tut (wir erinnern uns: Die Wirtschaft geht vor!), bedarf es anderer Faktoren, die in den Untergang hineingrätschen - der Konsument.

Jeder Einzelne, glaube ich, ist gefragt, sich etwas vernünftiger zu bewegen, zu leben, zu konsumieren. Jeder Einzelne.
Und das kann bei den Eiern anfangen.

(Bildquelle: www.pixabay.com)
(Bildquelle: www.pixabay.com)

26.08.2018

Abrüsten! Bitte.

 

Heutzutage gleicht eine Diskussion über bestimmte Themen immer wieder bewaffneten Auseinandersetzungen. Beteiligte Seiten sind kaum in der Lage, von ihrem verhärteten Standpunkt abzurücken, den Anderen als gleichwertigen Partner anzuerkennen, geschweige denn, in Erwägung zu ziehen, dass sein Gegenüber Recht haben könnte.

Man meint allgemein, dass der Disput früher gelassener und offener zuging. Ich glaube nicht, dass das der Fall ist. Früher gab es erheblich weniger Disput, bis gar keinen. Wenigstens nicht im gemeinen Volk.

Heute ist der gemeine Bürger wirklich der Meinung, im Besitz der Wahrheit zu sein, wenigstens seiner Wahrheit, die in jedem Fall die richtige ist. Die einzige die zählt. Der Andersmeinige ist doof, wirklich unfähig und nicht selten der Teufel an sich. Wirklich so!

Dabei würde ein Vorschlag schon mal den richtigen Weg weisen. Ein Vorschlag von mir und der ist natürlich der einzig richtige:))
Jeder, der sich zu einem Thema äußern will, muss zunächst eine viertel Stunde über dieses Thema intensiv nachgedacht haben. Anschließend muss er eine halbe Stunde recherchieren, mit Quellen checken und gegenchecken. Dann darf er sich äußern.

Oder, um es mit Dieter Nuhr zu sagen: »Wer keine Ahnung hat, einfach ...« man kennt das.

Es ist leider so, dass unfassbar viele Unwahrheiten durchs Netz schwirren. Wäre nicht so schlimm, wenn es nicht genauso viele Idioten gäbe, welche diese ohne zu hinterfragen als gegeben anerkennen. Das muss sich ändern. Wir alle haben die Pflicht, uns auszukennen bei dem, worüber wir reden. Wenn nicht, muss man mit dieser Maßgabe darüber reden: Ich weiß nicht, kannst du mir das sagen?

Wenn dieser verschwitzte dicke Mensch mit der Deutschlandmütze durch die Medien geistert und schreit: »Nähm Sie die Kamera da weg!«, dann ist das für viele ein Aufreger. Doch aus den verschiedensten Gründen, da geht leicht etwas verloren.

Denn das Verwerfliche ist nicht, dass der Mensch sich politisch äußert (sehr wohl natürlich, auf welche Weise er das tut!), das Schlimme ist, dass er es nicht aushält, dass er dabei gefilmt wird. Muss er aber, hat aber auch das Recht, die Polizei hinzuzuziehen.
Die wiederum muss mit Augenmaß vorgehen, auch und gerade, wenn es um die Presse geht! Und wenn es auch nur den Anschein hat, dass ein Beamter der Polizei die Presse bei ihrer Arbeit behindern will, muss das untersucht und geahndet werden.

Mehr nicht. Und nicht weniger.

Der Fall wird instrumentalisiert, von vielen Seiten! Fallt nicht darauf herein, versucht, euch ein objektives Bild von der Angelegenheit zu machen.
Es geht!
Und es lohnt sich.

18.08.2018

Geht's gut?

 

Geht's gut?
Wie geht's denn so?
Ach geht so. Könnte besser sein.
Niemals ging es Menschen in diesen Breitengraden besser, als in diesen Zeiten. Manche sagen, dass diese Generationen die letzten wären, denen es noch so gut gehen wird. Man weiß es nicht.

Dass aber der Gegensatz zwischen Fühlen und Sein riesig ist, scheint unwidersprochen. Hört man Stimmen, dann sollte man meinen, es herrsche grenzenlose Armut in Deutschland, wir wären von Seuchen bedroht, von Krieg und von Terror, außerdem stünde das Land kurz vor einer Invasion.
Die Arbeitslosigkeit war nie so niedrig (gut, man kann darüber streiten, wer als arbeitslos gilt und ob der gewährte Lohn entsprechend ist), der Reichtum nie so hoch (obwohl natürlich vollkommen ungleich verteilt), die Sicherheit war nie so sicher, die Absicherung wahrscheinlich nie besser.
Wenn mich heute Zahnschmerzen plagen, kann ich zu einem Facharzt gehen, der mich mit ziemlicher Gewissheit von der Pein befreit. Noch dazu werde ich in der Lage sein, dies zu bezahlen.
Die Gesundheitsversorgung ist vorbildlich (verzögerte Facharzttermine oder lange Wartezeiten vor den Behandlungszimmern sind dann wirklich Luxusprobleme), wer das dann nicht glaubt, möge ins beliebige außereuropäische Ausland gehen und sich dort einen Tumor diagnostizieren lassen.
Wir leben so sicher wie eigentlich nirgends auf der Welt, die Kriminalität sinkt, die Wahrscheinlichkeit, einem Verbrechen zum Opfer zu fallen ist gering. Terroristen lauern entgegen der landläufigen Meinung nicht hinter jeder Ecke. Nur das Geschrei darüber wird immer lauter.

Warum also nehmen wir unseren Wohlstand also nicht an, geben zu, dass es uns sehr gut geht (und der Wohlstand auf Kosten vieler anderer Faktoren erkauft ist!). Warum erkennen wir nicht an, dass es anderen erheblich schlechter geht, dass die Lebensumstände vieler Menschen erbärmlich sind und dass wir an diesen Umständen eine nicht geringe Schuld tragen.

Warum können wir den Reichtum nicht als Geschenk betrachten, weshalb sind das Glück und die Privilegien, die wir genießen, selbstverständlich; wieso meinen wir, wir hätten ein Recht auf all das? Und andere nicht?

Der Mensch ist und war schon immer eine Wahrnehmungsmaschine, die selektiert. Man darf gespannt sein, wie lange diese Strategie funktionieren wird.

19.03.2018

 

Leipziger Buchmesse vom 15. - 18. März 2018

 

Dankenswerterweise gab mir die Cleo-Skribent-Schreibgerätemanufaktur die Möglichkeit, mich auf der Messe zu präsentieren.
Seit Jahren stellt der Kugelschreiber-Hersteller auch in Leipzig aus (was ja Sinn macht, denn Bücher und Schreiben bilden in gewisser Hinsicht eine Einheit), und zusammen mit dem wesentlich profilierteren Reiseautor Thomas Niedlich, ebenfalls aus der Prignitz, gab es die Möglichkeit, ein wenig Eigenwerbung zu betreiben (wobei man natürlich nicht zu viel erwarten durfte, denn wenn ich an einen Stand mit Edel-Federn trete, werfe ich höchstens einen beiläufigen Blick auf »Phantastische Geschichten« oder »Unterwegs im Thüringer Wald«)

Es war trotzdem eine sehr schöne Erfahrung, einerseits, weil es ein besonderes Gefühl ist, wenn jemand dein Buch, ja deins!!, in der Hand hält und mit prüfenden Augen die Seiten umblättert (paar Mal gesehen, jedes Mal der Atem gestockt).
Andererseits gab es natürlich ausgiebig die Möglichkeit, über die Messe zu schlendern, sich intensiv mit Büchern zu beschäftigen und immer wieder stehen zu bleiben und den allerorten durchgeführten Lesungen zu lauschen. Zwei volle Tage waren zu wenig!

Ein Haufen Bekannte trafen wir, viele Prominente, und mit einigen kam man sogar ins Gespräch. Die schiere Auswahl an Verlagen - jeder Art, vom Publikumsverlag, über den Fachverlag bis hin zum Kleinstverlag - alles vertreten.
Auf der einen Seite wurde dadurch natürlich die ungeheure Vielfalt des Lesewesens in diesen Landen bewiesen. Andererseits bildeten sich die Schlangen vor allen an den Ständen mit den Kassenschlagern: Fitzek war da, und die Schlange war definitiv länger als die morgens beim Bäcker.

Und natürlich durften die Provokateure nicht fehlen, diejenigen, die auf ihrer eigenen Meinung beharren, als wäre sie der Stein, in den sie gemeißelt ist. Kubitschek und Elsässer saßen und diskutierten, und vor dem Pavillon standen die Leute dichtgedrängt, überragt von Kameras, eingerahmt von bewaffneter Polizei.
Auch das Buchmesse in diesen Zeiten, auch wenn überflüssig.

Dass es anders geht, bewies eine kurze Diskussion mit einer Schweizer Dame am Stand des Genossenschaft Zeit-Fragen Verlag. Nach knapp zwei Minuten waren die Fronten zwischen uns geklärt (Fronten, die kaum weiter auseinanderliegen könnten), wir tauschten kurz Argumente aus (es ging um die Billag-Abstimmung in der Schweiz und Systemmedien im Allgemeinen), wir lächelten als wir uns trennten und zumindest ich mit dem Vorsatz, mich mit den Argumenten des Anderen zu beschäftigen. Ich hatte den Eindruck, dass zwei zivilisierte, westliche Menschen in der Tradition der Aufklärung miteinander stritten.

Und so ist die Buchmesse natürlich politisch, politischer als jeher wahrscheinlich. Und es lässt sich nicht absehen, dass der Trend kippt.

So wird es wahrscheinlich (hoffentlich) nicht der letzte Besuch auf der Buchmesse gewesen sein, und vielleicht (wer weiß) gestalten sich die nächsten ja etwas größer.

 

Herzlichen Dank noch einmal an Cleo und Frau Herper!

10.12.2017

 

Besinnliche Vorweihnachtszeit!

 

Weihnachtszeit - besinnliche Tage, Ruhe, Lichterglanz. Man hat den Eindruck, eine Mehrzahl der Menschen hat in den Startlöchern gewartet, dass endlich, endlich! der Totensonntag vorbeigestrichen ist und man - den Daumen auf der Fernbedienung - die Lichterkette in Gang setzen kann.
So ist denn in unseren Zeiten die eigentlich dunkle Jahreszeit zu der hellsten verkommen und es gibt noch kaum ein Fleckchen, weder Stadt noch Land, wo man raustreten in die kalte Winternacht und den Himmel betrachten kann. Mit seinen - wortwörtlich - Milliarden funkelnden Sternen.
Links neben dir - du kannst es nicht übersehen - das blinkende Rentier mit dem Schlitten hintan und dem lustigen, bunten Weihnachtsmann, der sogar die Verkehrsampel überstrahlt. Und rechts das Haus mit den vielen Lichterketten auf dem Dach, bei der man Furcht bekommt, dass nicht die nächste Boing darauf landet. (Kann mal den Leuten irgendwer erklären, dass der Film »Fröhliche Weihnachten« mit Clark W. Grisworld als Satire zu sehen ist?!)
Die Häuser- und Straßenzüge sind geschmückt wie eine aufgetakelte, angejahrte Prostituierte; man befürchtet angesprochen oder wenigstens angezwinkert zu werden. Längst vergessen der Grund für und die Geschichte hinter dem Weihnachtsfest. Kaum noch jemand, der weiß, dass Maria und Josef in dem Stall, in welchem Jesus zur Welt kam, vielleicht eine - wenn es hochkam - zwei Kerzen zur Verfügung hatten.
Ein einzelnes Licht, eine Flamme, geschickt platziert, ist um Längen beeindruckender, als all diese neumodischen Lichterketten, in Reihe geschaltet!

Und so müllen wir fleißig weiter die Umwelt zu, sei es mit Unrat, mit Abgas, mit Lärm oder eben mit Licht. Wir merken nicht, wie sehr wir die Erde verändern, die Natur, unseren eigenen Lebensraum.
Denn natürlich bleibt diese ständig zunehmende Lichtverschmutzung nicht folgenlos. Flora und Fauna sind auf den Tag-Nachtrhythmus eingestellt, es gibt genügend Tierarten, die im Finstern auf Beutezug gehen.
An der Universität Bern wurden Untersuchungen zum Einfluss künstlicher Beleuchtung auf den Bestäubungsvorgang einzelner Pflanzen angestellt. Man kam zu dem Ergebnis, dass auf künstlich beleuchteten Wiesen die Bestäubung um bis zu 62 Prozent zurückging. Die Kohldistel erbrachte unter Beleuchtung einen Ertrag an Früchten, der 13 Prozent unter dem unbeleuchteter Pflanzen lag. Das zeigt, dass die zunehmende Beleuchtungswut in der Natur nicht unerhebliche Spuren hinterlässt.
Einen weiteren Grund gibt es, sich sehr genau zu überlegen, ob man die neue Lichterkette in seinem Vorgarten anbringt: In bestimmt 90 Prozent der Fälle sieht die Weihnachtsbeleuchtung in unseren Straßen einfach nur Scheiße aus. Scheiße und großkotzig!


An den restlichen 10 Prozent werde ich mich in den nächsten Wochen erfreuen.

Frohe Weihnachten!

31.10.2017

 

Ego First!

 

Katalonien spaltet sich ab, die Basken schon fast genauso lange. Korsika von Frankreich, Sardinien von Italien, Schottland hat es versucht und auch Grönland und die Färöer-Inseln. Und wenn wir nicht aufpassen, sind die Bayern auch weg.
Wir leben in Zeiten, da ist jeder darauf bedacht, nicht zu kurz zu kommen. Jedermann hat Angst, er könnte übervorteilt werden, der Andere zieht ihn über den Tisch, der Deal, der ausgehandelt wurde, sei zu seinen eigenen Ungunsten ausgefallen.

Amerika First heißt es, übersetzt: für mich das größte Stück vom Kuchen! Der, der das wieder salonfähig gemacht hat, wird von vielen wenigstens für übertrieben narzisstisch, wenn nicht für geistig sehr eingeschränkt gehalten. Aber seine Parolen fielen auf fruchtbaren Boden, wenigstens die Hälfte der wahlberechtigten Amerikaner gab dem Mann seine Stimme. Trotz der Fäkalausfälle im Wahlkampf, nachgewiesener Falschaussagen und schrecklicher Auftritte. (Wollen wir hoffen, dass es nicht wegen heißen muss!)

Also gibt es doch ohne Frage eine Bewegung in derzeitigen Gesellschaften, die von Solidarität, von Miteinander, Empathie und Mitleid wenig halten. Die eigene Gruppe muss gestärkt werden, die eigene Gruppe ist die richtige, und wenn die eigene Gruppe einen Vorteil erzielt, ist es rechtens; wenn den anderen ein Vorteil gewährt wird, ist das falsch.

Woran liegt das? Schnellt das Gummiband der Geschichte jetzt von einem Ende der Skala zurück auf die andere Seite?
Natürlich ist ein gesunder Egoismus gut, das Gruppendenken haben wir von unseren Vorfahren übernommen und in einem gewissen Maße ist es wohl auch notwendig.
Und sicherlich ist nicht jede Autonomiebewegung eine nationalistische (grade den Katalanen wäre es wohl zu gönnen, mehr Autonomie zu erhalten, nachdem sie jahrzehntelang unterdrückt und nach Ende des Franco-Regimes lange nicht rehabilitiert wurden [die Frage ist natürlich, auf welchem Weg das zu bewerkstelligen ist]).

Doch zu fragen ist: Wohin wird uns diese Bewegung führen? Kleinstaaterei, gegenseitiges Belauern, kriegerische Übergriffe? Nicht umsonst wurde in letzter Zeit auf Gemeinsamkeiten zwischen unserer und der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg hingewiesen.
Wie gesagt, Kleinstaaterei und das strikte Beharren auf die eigenen Interessen, das kann nicht der beste Weg in die Zukunft sein.


Viele, wenn nicht alle, würden hinten runterfallen.

08.04.2017

 

Stockholm, 04/17


Wieder ist es passiert, wieder sind Menschen gestorben bei einem Anschlag, der wie aus dem Nichts kam.

Natürlich ist das Unsinn; er kam nicht aus dem Nichts und er war genauso wenig unvorhersehbar. Aber die Menschen, die zu Schaden kamen, für die Hinterbliebenen und Opfer traf es völlig unvorbereitet. Und das ist genau das perfide Ziel der Drahtzieher:  Gefühl, es könne jeden treffen, jederzeit.


Und wieder höre ich sie, die Mutmacher, die professionellen Angstvertreiber und Wahrheitsverwischer: Wir lassen uns unsere Art zu leben nicht verbieten.
Und ich könnte, wenn ich das wieder hören muss, mit Verlaub und bei allem Respekt gesagt, kotzen!
Was ist unsere Art zu leben? Ist meine Art zu leben auch die meines Nachbarn? (Ich hoffe doch nicht!) Und vor allen Dingen: Woher weiß ich (oder eben diese selbst ernannten Fernsehprediger), dass unsere Art zu leben, die richtige ist?

Dafür habe ich noch nicht einen ernsthaften Versuch erlebt, die wahren Motive dieser Attentäter herauszufinden, ihre wirklichen Beweggründe.
Sicher, die Drahtzieher haben das Ziel die westliche Gesellschaft zu verunsichern, bröckeln zu lassen. Gottesstaat errichten und so, na ja. Wie weit sich diese Leute das vorstellen, ist mir auch nicht ganz klar. Aber es scheint wirklich darauf hinauszulaufen, was Samuel Huntington in den Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts postulierte: Clash of Civilizations - Kampf der Kulturen.

Aber was fühlen die kleinen Mitläufer, die für eine Stunde weltweit populär sind? Warum tun sie anderen Menschen das an? In wieweit muss das Leben dieser Menschen verkorkst sein, damit sie anderen das ihre zu nehmen imstande sind.

Ist es der Fluch des Autors, des Schaffenden, sich immer und fortwährend in den Anderen hineindenken zu wollen? Auch den abartigsten Menschen (wir nennen ja gern mal andere Menschen abartig oder verrückt; aber haben wir das Recht dazu? Wenigstens nach dem ersten Moment?) verstehen zu wollen, was ihn treibt, wovor er sich ängstigt.
Fast alles läuft über Motivation: Sag mir, welche Ziele du verfolgst und ich sage dir, wo du stehst. Wenn’s gut läuft, kann ich dir sogar sagen, was du tun wirst.

Vielleicht ist es an der Zeit, sich in unsere Mitmenschen hineinzudenken, auch in die widerwärtigsten.

 

Update 12.04.

 

Offensichtlich gehen die Schweden ähnlich souverän mit der Situation um wie seinerzeit die Norweger mit dem Rechtsterroristen Anders Breivik und seine Tat.

Schnelle Lösungen wird es nicht geben und wenn man mit der Kopf-ab-Mentalität durchs Leben geht, lässt man sich auf genau das Niveau herab, das man zu bekämpfen vorgibt.

 

 

26.03.2017

 

Die unachtsame Gesellschaft

 

Es gibt immer wieder Stichworte, Schlagworte oder Begriffe, mit denen man eine Gesellschaft und deren Zustand zu beschreiben versucht.

 

Wie mag man – vielleicht in einer Rückschau von 50 Jahren – unsere derzeitige Generation (wobei ich Generation nicht als eine bestimmte Bevölkerungsgruppe verstehe, sondern die Gesamtheit der derzeitig lebenden Menschen in einem begrenzten Gebiet, hier eben Deutschland) bezeichnen?

 

Immer mehr bin ich der Meinung, dass mit dem Adverb „unachtsam“ schon viel gesagt ist über unsere Gesellschaft.

 

Unachtsam im Sinne von nicht achtsam.

 

Das Lexikon spricht bei dem Adjektiv achtsam von aufmerksam, kritisch, wachsam.

 

Das mag unserer Gesellschaft nicht unbedingt abgehen, immerhin beobachten wir kritisch und wachsam, was unser Nachbar treibt (vor allem, wenn er nicht unserer Hautfarbe, Konfession oder Weltanschauung, kurz: wenn er nicht Mitglied der von uns selbst gewählten Gruppe ist).

 

Doch diese Achtsamkeit meine ich nicht, oder vielmehr nicht ohne einige weitere Merkmale.

 

 

 

Achtsamkeit ist nämlich schädlich ohne Mitgefühl, Respekt für den Anderen und Empathie. Dann verkommt diese Eigenschaft zum Selbstzweck. Und das im doppelten Sinne, nämlich im eigentlichen und im übertragenen Sinn, wenn die Achtsamkeit nur für die eigene Person von Vorteil ist.

 

Wenn ich in einem Geschäft durch eine Tür gehe, mich nicht darum kümmere, ob jemand hinter mir kommt und die Tür schwingt zurück, beinahe meinem Nachfolger gegen den Kopf, dann ist das unachtsam.

 

Das kann vorkommen, natürlich, niemand ist vollkommen. Doch wenn es die Regel ist, dann nenne ich das ungezogen, ein Flegel ohne Kinderstube. Wenn dieses Verhalten für viele Menschen die Regel ist, dann ist das ein Symptom für eine Krankheit, die unsere Gesellschaft befallen hat.

 

Blinkfaulheit, diese unselige Masche, nachts in der geschlossenen Ortschaft mit aufgeblendeten Scheinwerfern zu fahren (man sieht nicht viel mehr, als wenn man abblenden würde, Anwohner oder Fußgänger jedoch werden gnadenlos geblendet), Parken, wo man will und vor allen Dingen, wie man will!

 

Meine Handlungsweisen daraufhin abzuschätzen, welche Auswirkungen sie auf andere haben. Auch mal zurückzutreten für den Anderen, nicht immer das größte Stück vom Kuchen zu verlangen.

 

Es fällt schwer angesichts dieser verloren gegangenen Tugenden nicht zu sagen: Früher war es besser.

 

 

 

Doch woran liegt das, dass der Mitmensch immer weniger zählt? Oder treffender: Weshalb stehen so viele Menschen in ihrem eigenen Mittelpunkt?

 

Ich denke, das viel damit zu tun, dass propagiert wird, dass wir für den Euro mindestens einen Wert von 1,50 Euro verlangen können. Dass überall ein Preisschild draufklebt und dass alle Sachen möglichst billig zu haben sein müssen.

 

Wer für ein Produkt mehr bezahlt als im Discounter, damit er es nicht im Discounter kauft (weil ihm vielleicht die Angestellten am Herzen liegen und er möchte, dass der Fachhandel überlebt), der ist der Dumme.

 

Geiz ist geil und lass dich nicht verarschen, vor allem nicht beim Preis.

 

Doch was kommt dabei raus, wenn man immer das Billigste will, wenn man quasi den Gegenüber übervorteilen will?

 

Massentierzucht mit allen unangenehmen Konsequenzen. Billiglohnsektor, ebenso. Der Preis kann immer noch gedrückt werden, und es findet sich garantiert irgendein Anbieter, der das auch macht.

 

 

 

Pfui, schämt euch, Menschen! So macht ihr nicht nur das Zusammenleben kaputt, ihr macht auch alles andere mit diesem Verhalten kaputt!

 

Und nebenbei wird dadurch auch ein Mensch wie Donald Trump (der ja genau diese unachtsame Lebensweise propagiert) Präsident der Vereinigten Staaten.

 

 

03.10.2016


Mal was anderes: Die Demokratie retten!


Die Frage lautete:

»Wollen Sie, dass die Europäische Union auch ohne Zustimmung des Parlaments die zwingende Ansiedlung von nicht ungarischen Staatsbürgern in Ungarn vorschreiben kann?«


Das Wahlvolk in Ungarn war am gestrigen Sonntag indirekt dazu aufgefordert, über die Flüchtlingspolitik der EU (IMHO Angela Merkel) abzustimmen.


Nicht nur, dass die Frage wissentlich tendenziös und sogar falsch gestellt ist. Wer will über diese komplizierte, mit Emotionen besetzte Sachlage so einfach handstreichartig mit einem Kreuz bei einer einzigen Frage abstimmen?

Nun, die Sache ist nach hinten losgegangen für den Initiator, doch das Problem an sich bleibt: Will man mehr direkte Demokratie wagen, das heißt Volksabstimmungen, ähnlich Schweizer Vorbild, dann muss man damit leben, dass stark verkürzt über sehr komplexe und komplizierte Themen verhandelt wird.
Und, ohne Misanthrop zu sein, kann ich persönlich bestimmt zwei Dutzend Menschen aufzählen, denen ich nicht zutrauen würde, darüber zum Beispiel adäquat ihre Stimme abzugeben, was (als Beispiel) mit pädophilen Straftätern passieren soll.

Nicht etwa weil die Leute doof wären (na gut, bei dem einen oder anderen trifft das schon zu), sondern eher, weil sich hier eine leise eingeschleppte Seuche bemerkbar macht: die Denkfaulheit.
Mehr und mehr greift diese Krankheit um sich, dass der mündige Bürger immer weniger bereit ist, über Themen, die für ihn wichtig sind, sich angemessen zu informieren. Etwas Mühsal auf sich zu nehmen, um eine Sache aus mehreren Blickwinkeln zu betrachten. Vielleicht Fakten sammeln, eventuell sogar von der Gegenseite.
Kommt alles nicht mehr vor. Man übernimmt Argumente, man übernimmt sogar Meinungen. Man kann sie nicht begründen, aber man hat sie.

Was kann man dagegen unternehmen? Ich war eigentlich immer für Basis-Demokratie, allerdings bin ich in den letzten Jahren aus oben genannten Gründen von dieser Meinung abgerückt.

Demarchie (das Losverfahren) ist eine charmante Lösung des Problems. Beinahe alle Nachteile der jetzigen parlamentarischen Demokratie hätten wir damit abgeschafft, vielleicht als Einziges nicht den Volkswillen. Doch seien wir ehrlich, wird mit der jetzigen Form der Demokratie der Willen des Volkes ausgeführt?

Durch die gesamte Geschichte der Menschheit wird das Losverfahren für die eine oder andere Form der Entscheidung angewandt.
In der Bibel erwähnt dies Verfahren bei der Bestimmung Sauls als König von Israel.
In Athen wurden Richter-, Stadtverordneten- und andere Ämter per Los besetzt. Der Doge von Venedig wurde mittels einer Mischung aus Los- und Wahlverfahren bestimmt.

So zieht sich das bis in die heutige Zeit, man denke nur an die verschiedenen Geschworenen-Gerichte in einzelnen Staaten. Da legt man bis heute das Recht in die Hände von Menschen, die teilweise durch das Losverfahren in diese Stellung gelangt sind.


David van Reybrouck hat 2007 in seinem Buch »Gegen Wahlen: Warum Abstimmen nicht demokratisch ist« ziemlich schlüssig dargelegt, wie man das Losverfahren in der Politik anwenden könnte.
Bei unserem Beispiel vom Kinderschänder und unserem zukünftigen Umgang mit ihm und seinen Verbrechen: Es werden eine bestimmte Anzahl an Menschen (die Zahl 3000 scheint angemessen) ausgelost, die alle Mittel an die Hand bekommen, sich umfassend mit dem Thema auseinanderzusetzen. Sie bekommen Lektüre, Artikel, können sich mit Experten beraten, mit Betroffenen etc.
Nach einer Phase der Einarbeitung geben dann diese »Delegierten« ihre Stimme ab, und ich bin sicher, das wird dann differenzierter und verantwortungsvoller geschehen als gestern in Ungarn.

 

19.09.2016


Flüchtlinge! Flüchtlinge!


In den vergangenen 12 bis 15 Monaten gab es wohl kaum ein Thema, das kontroverser diskutiert wurde, als Flüchtlinge - die Flüchtlingskrise, die Flüchtlingswelle, die Asylantenflut. Wetter und Benzinpreise mit eingerechnet!

Dabei wird so unsachlich und schief argumentiert wie sonst nur beim Anglerlatein. Begriffe werden durcheinandergeworfen oder gleich falsch verwendet und vor allem werden Gefühle für Fakten genommen. Dumpfe Gefühle, die man nicht eindeutig benennen kann, und kaum jemand macht sich die Mühe, sie zu hinterfragen.

Was also ist Fakt?
Wie viele Menschen (es sind tatsächlich Menschen, mit all den Macken) seit Anfang letzten Jahres real nach Deutschland eingereist sind, ist wohl noch immer nicht hundertprozentig klar, Schätzungen gehen von etwas mehr als 1,2 Millionen Menschen aus. Wie viele davon aber weiter gezogen oder doppelt bzw. dreifach eingereist sind, wie viele vorher schon hier waren, das alles weiß man nicht.
Für ein bürokratiebesessenes Land wie Deutschland natürlich ein Albtraum, zugegeben für die Sicherheit des Landes auch nicht von Vorteil.

Hält man sich an die Fakten: Erstanträge und Folgeanträge auf Asyl zusammen ergaben für 2015 eine Zahl von 477.000.
Das ist ein Anstieg zum Vorjahr um 155Prozent! (Quelle:www.proasyl.de)
Recht ordentlich. Schaut man durch die Presse- und Medienerzeugnisse des Landes, scheint die Aufnahmekapazität schon längst überschritten. Wie sieht es also in anderen Ländern aus, denen es vielleicht nicht ganz so gut geht, wie Deutschland?

Laut UNHCR waren Ende 2015 etwa 65,3 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. 50 Prozent davon (also über 30 Millionen Menschen!) sind Kinder.

In 2015 konnten von 65,3 Millionen Menschen lediglich 201.400 Menschen in ihre Heimat zurückkehren.
86 Prozent der Flüchtlinge (9 von 10) haben Aufnahme in Entwicklungsländern gefunden.

Woher kommen die Flüchtlinge? Laut UNHCR sind 4,9 Millionen Menschen, deren Heimat Syrien ist, auf der Flucht. Damit ist Syrien mit Abstand das Land, aus dem die meisten Menschen fliehen.
Folgende sind: Afghanistan, Somalia, Südsudan, Sudan und Kongo.

Wer nimmt die meisten Flüchtlinge auf (abgesehen davon, dass die übergroße Zahl der Flüchtlinge im eigenen Land umherirrt [Binnenvertriebene sind])?
Die Türkei ist hier einsamer Spitzenreiter mit 2,5 Millionen Menschen, gefolgt von Pakistan, Libanon, Iran, Äthiopien und Jordanien. (Quelle:www.uno-flüchtlingshilfe.de)
Kein westliches Land, alles Schwellen- oder Dritt-Weltländer! 25 Prozent der weltweiten Flüchtlinge befinden sich in Staaten, die laut UN die am wenigsten entwickelten Länder der Welt sind.
Im Libanon kommen auf 1000 Einwohner 186 Flüchtlinge. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 5,9 auf 1000 Einwohner.
(Flüchtling ist übrigens in dieser Statistik eine Person, die »... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will ...« (Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention).

Was sagen uns diese Zahlen?
Das Flüchtlingsproblem ist größer, als wir es wahrhaben wollen (allerdings in anderer Form, als wir es auf unserem fettigen Tellerrand sehen).
Außerdem werden wir noch lange etwas davon haben. Es gibt Schätzungen, die sprechen von bis zu 600 Millionen Flüchtlinge in den kommenden 20 Jahren. Das heißt, der momentane Flüchtlingsstrom (um mal bei einem dieser Kampfbegriffe zu bleiben) wird nicht abebben, sondern im Gegenteil, erheblich anschwellen.
Wir müssen entscheiden, wie wir diese Probleme lösen, nicht nur in unserem Sinne - das würde uns wieder auf die Füße fallen -, nicht so schrecklich kurzfristig, wie es bis jetzt immer der Fall war und vor allem nicht egoistisch.

 

Damit wir unsere Ansprüche nicht verlieren.