Rainer Fuhrmann: Versuchsreihe 17


Rainer Fuhrmann war einer der Helden meiner Jugend. Er gilt noch heute als ein herausragender SF-Schriftsteller der DDR. Kaum auszudenken, was er erschaffen hätte, wenn er im Jahre 1990 mit eben 50 Jahren nicht unerwartet verstorben wäre.
Seine Autoren-Karriere begann Fuhrmann 1976 mit der Erzählung »Das Experiment« in der Anthologie »Begegnung im Licht« und im Jahr darauf erschien sein Roman »Homo Sapiens 10-²«, einem »Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft« auf abenteuerlich.

Mit »Die Untersuchung« und »Medusa«, 1984 und 85 erschienen, hatte er mich und etliche andere Leser sowie Kritiker gefangen. Science Fiction der modernen Art, wie man sie in der DDR zumindest vorher kaum gelesen hatte. Die Geschichten waren innovativ und – wenigstens »Die Untersuchung« wissenschaftlich recht gut begründet.
Beide Bücher ließen auf mehr und richtig Gutes vom Autor hoffen.

Und dann »Versuchsreihe 17«, veröffentlicht 1988 – kurz vor dem Ende des Staates DDR. Im Klappentext als »Kriminalroman mit wissenschaftlich-phantastischem Einschlag« beschrieben, ist der Roman doch viel mehr als das. Oder eben gerade das.

In einer Chemie-Bude in einem an der Ostseeküste gelegenen Touristenstädtchen ereignet sich eine Explosion, die zwei Menschen offensichtlich das Leben kostet. Allerdings ist von den Leichen nicht das Geringste übrig geblieben.
Die Ermittlungen leitet Olsen, seines Zeichens Kriminalbeamter des kleinen Ortes, mit seinem frisch gebackenen Assistenten Joachim Knecht im Schlepptau.

Es entspinnt sich ein Kriminalfall, der von Provinzposse zur Spionagestory, von Gesellschaftssatire zur Polit-Farce pendelt. Selbst ganz große, wirklich ernst gemeinte Weltpolitik wird geliefert und ganz am Schluss ein Twist, der unter die Haut geht. Persönliche Verwicklungen inbegriffen.

Liest man diesen Roman mit einem Abstand von 30 Jahren, wird einem erst bewusst, was der Autor versucht hat zu transportieren, in wieweit er versucht hat, die Realität in einem sozialistischen Staat abzubilden, zu karikieren. Das gelingt nicht immer – beileibe nicht! – aber es amüsiert, wie Fuhrmann genüsslich Arbeitsabläufe, Hierarchien und Ordnungen im real existierenden Sozialismus beschreibt und immer wieder ad absurdum führt.
Klar, er bettet eine mehr oder weniger spannende Handlung in ein Korsett, das ihm wahrhaft am Herzen liegt – eine Zustandsbeschreibung. In seinem posthum 1996 erschienen Roman »Kairos« soll er das ausgefeilter und in einem waschechten SF-Roman getan haben. Ich selbst habe das Teil noch nicht gelesen, aber – wie alle Bücher von Rainer Fuhrmann – ist es auch antiquarisch zu beschaffen.

»Versuchsreihe 17« hat vielleicht auch diesen Titel bekommen, weil es sich bei dem Roman auch um einen Versuch handelt. Einen Versuch, das Genre als Pferd zu benutzen, um sich mit der aktuellen Situation auseinanderzusetzen.
Das sind ja die besten Genre-Romane, die das Genre nur nutzen für eine Botschaft, Message, etwas über uns selbst.
Dabei gelingt Fuhrmann noch längst nicht alles. Beschreibungen geraten ihm immer wieder zu lang und zu dröge. Das schöne Wort »Show, dont tell« verliert er ein ums andere Mal aus dem Blick.
Charakterisierungen der Personen – etwas, was ihm sehr gut gelingt – geraten so manches Mal bei ihm zur Karikatur, weil er zu dick aufträgt oder die Formulierung nicht zügeln kann. Dann merkt man, dass er um alles in der Welt vermeiden möchte, ins Klischeehafte abzudriften. Doch auch Übertreibungen können zum Klischee werden.

Die Dialoge sind mancherorts zu üppig, stehen oft genug für sich selbst und deshalb hat man es schwer, den Figuren zu folgen.

Die Hochhausszene (was macht ein (mindestens) Zwanziggeschosser in einem beschaulichen Küstenstädtchen?!) ist genial!

Alles in allem vergnügliche Unterhaltung, die ganz sicher auch nostalgisch angehaucht ist. Empfehlenswert!