Immer, wenn ich ein Buch wie dieses hier lesen darf, dann überkommt mich Ärger und Ekel über diesen ganzen hingerotzten Bestseller-Müll, den man heutzutage als Krone der Literatur angeboten bekommt. Natürlich nicht alles, das ist klar. Aber warum taucht dieser „Kriminalroman“ von William McIlvanney nicht auf den Bestsellerlisten auf?

 

Warum wird der 1977 erschienene Roman erst jetzt (2014) bei uns in Deutschland herausgegeben, währenddessen Gurken wie Grisham und andere hierzulande verlegt werden? Das liegt wahrscheinlich daran, dass man bei McIlvanneys Werken keine blümchen-gefärbten Welten vorgesetzt bekommt. Hier ist die harte schottische Realität Hauptprotagonist. Das ist nicht leicht zu lesen, lohnt aber immer; zumal so exzellent geschrieben, wie hier.

 

„Laidlaw“ ist der erste der dreiteiligen Reihe um den exzentrischen Polizisten Jack Laidlaw, der im schottischen Glasgow agiert. Laidlaw ist unkonventionell, melancholisch, muss alles (wirklich alles!) hinterfragen und ist geschlagen mit einer kriselnden Ehe. Selbst auf dem Revier ist er ein Außenseiter, weshalb er allein und neben den eigentlichen Ermittlungen arbeitet. Nur ganz wenige verstehen den Mann und halten zu ihm, doch von diesen wenigen weiß man instinktiv, dass das die Guten sind.

 

„Laidlaw“ ist kein Kriminalroman im klassischen Sinne, nicht einmal im modernen. „Laidlaw“ ist eine Tragödie, die es mit jeder griechischen aufnehmen kann. Die Figuren sind klar umrissen (das geht soweit, dass die Charaktere ihre Rollen spielen müssen, obwohl sie es nicht wollen), die Handlung teilweise grotesk stilisiert, aber immer nachvollziehbar und authentisch. Die Dialoge sind auch nach dem dritten Lesen noch interessant und überraschend.

 

„Tommy befand sich dort, wo viele Menschen Homosexuelle am liebsten sehen wollten: in einem Getto der Selbstverachtung.“

 

„…, weil das Wetter so schön war, ein Vormittag, an dem man am liebsten Urlaub von sich selbst machen würde. Kein guter Tag, um Polizist zu sein, fand er. In der Luft lag ein Freifahrtschein für alles und jeden.“

 

Als Laidlaw und sein Kompagnon Harkness sich das erste Mal treffen, sagt Laidlaw mürrisch: „Strammstehen ist nicht gut für Ihren Rücken.“

 

Der Mann ist kaum besser zu charakterisieren.

 

Überhaupt sind die kurzen, hingeworfenen Beschreibungen der Glasgower Wirklichkeit, des Alltags der Arbeiter, der Gauner und der Polizisten meisterhafte Vignetten, die man immer wieder lesen möchte.

 

Die aber auch schmerzhaft sind, traurig und erhellend.

 

Die Tochter von Bud Lawson wurde brutal umgebracht, doch weniger der Mord und seine Umstände sind Thema des Romans, als vielmehr der Umgang der Protagonisten mit dieser Tatsache und ihr Verhalten danach.

 

Das Geschehen steuert unbeirrt auf den Höhepunkt zu, der dann nicht mehr überraschend scheint, doch in seiner Variante dann doch wieder zu überraschen vermag und noch lange nachwirkt.

 

Schade, dass es bis 2014 gedauert hat, dass sich ein Verlag fand (Verlag Antje Kunstmann), der die Reihe um Jack Laidlaw in deutscher Sprache vertreibt.

 

William McIlvanney starb 2015 im Alter von 79 Jahren.